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Bis heute haben viele Mühe, die Natur des Mannes zu erkennen, der gerade dabei ist die europäische Friedensordnung auf den Kopf zu stellen. Vielleicht trauen wir uns nicht, die richtigen Vergleiche zu ziehen, weil sie uns an eine Zeit erinnern, von der wir dachten, das sie für immer hinter uns liegt. Bei der Linkspartei und in Teilen der Sozialdemokratie sieht man in Putin immer noch einen Mann in der Tradition der sowjetischen Parteiführer, die für eine wie immer geartete Idee des Sozialismus standen. Deshalb funktionieren dort auch noch die alten Solidarisierungsreflexe. Aber das beruht auf einer Verwechslung: Putin ist nicht Postkommunist, er ist Postfaschist.
Wenn man nach historischen Referenzmarken sucht, dann ist der richtige Bezugspunkt nicht Sarajevo 1914, sondern Rom 1919. Wer sich in den Echokammern und Metaphernräumen bewegt, in denen Putin unterwegs ist, erkennt eine ganze Reihe von Topoi wieder, die auch bei der Geburt des Faschismus Pate standen. Da ist der Körperkult, die pathetische Rhetorik der Selbstbehauptung, die Abwertung des Gegners als verkommen und degeneriert, die Verachtung der Demokratie und des westlichen Parlamentarismus, der übersteigerte Nationalismus.
Bei den Freiheitsfeinden am rechten Rand haben sie die Witterung sehr viel früher aufgenommen. Hier hat man sofort verstanden, dass in Putin jemand zu Europa spricht, der ihre Zwangsvorstellungen und Ressentiments teilt. Putin revanchiert sich bei seinen Bewunderern, indem er sie als Verwandte im Geist anerkennt. "Was das Überdenken von Werten angeht, sehen wir in Europa denselben Prozess", sagte er in seinem Fernsehauftritt am vergangenen Donnerstag und verwies auf den "Sieg von Viktor Orban in Ungarn", den "Erfolg von Marine Le Pen in Frankreich". Es war die einzige Stelle in dem vierstündigen Interview, bei dem er etwas Positives über Europa zu sagen wusste.
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