Unser Auto nach der Beschießung in Gori / Our car after the shooting in Gori

Wahrheit ist ein seltenes Gut in Kriegszeiten. Deshalb wollen wir die Fehler, die uns bei der Berichterstattung unterlaufen sind, hier berichtigen.
Das Auto sieht besser aus, als wir es in Erinnerung hatten. Die beiden Reifen auf der Fahrerseite sind intakt geblieben, ebenso das hintere Fenster auf der Beifahrerseite.

Truth is seldom in times of war. This is why we want to correct the errors in our report about the incident. The car looks better than we thought. Both tires on the driver's side stayed intact. Also, on the same side the window in the passenger's side is unbroken.


Es sind 13 Einschusslöcher auszumachen. Eine Kugel hat die Motorhaube und den dahinter befindlichen Kühler durchschlagen. Das Kaliber beträgt wahrscheinlich, das müssen wir noch nachprüfen, 5,45 mm. Dabei handelt es sich um eine ursprünglich von der NATO verwendete Größe, die von der Sowjetunion im Zuge einer Neuauflage der Kalaschnikow übernommen wurde. Dieses Modell, die AK-74, ist heute Standartwaffe der russischen Armee. Es wird mit einem Magazin mit 30 Patronen bestückt. Diese wurden vermutlich alle auf uns abgefeuert. Interessant ist, dass meine Frau eindeutig ein Dum-Dum-Geschoss in den Oberkörper bekam, während es sich bei dem Geschoss, das den Kühler durchschlug, um ein reguläres Geschoss gehandelt haben muss. Dum-Dum-Geschosse sind laut Kriegsrecht verboten. Möglicherweise wurde jede zweite Patrone von Hand präpariert.

I found seven bullet holes so far. One bullet hit hood and passed the radiator. The caliber of the bullets probably was 5,45 mm. That is a size that was introduced by NATO-forces first and later adopted by the Sowjetunion, when the Kalashnikov AK-74 was invented as a successor to the original AK-47. It is now the standard automatic rifle of russian troops. The magazine of 30 bullets was probably emptied while shooting at us. It is interesting, that the bullet, that hit the upper part of my wife's body, surely was a dum-dum-bullet, while on the other hand side the radiator must have been hit by a regular one that passed on to the motor block. My suspicion is, that about every second bullet was prepared by hand.



Es stellt sich nun, falls die Vermutung richtig ist, die Frage, wie Zivilisten an ein Gewehr der russischen Streitkräfte gelangen konnten.
If my conclusions are correct, the question is: How did civilians get a hold on a russian military rifle?
Das Auto habe ich mit Hilfe eines Abschleppservice am 23. August aus Gori abgeholt. Etwa alle 200 Meter stand leicht gewaffnetes georgisches Militär, nachdem die russische Armee Gori am Vortag verlassen hatte. In Außenbezirken war immer noch mit Scharfschützen zu rechnen. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl wieder nach Gori zu fahren, zumal wir kurz vor Gori eine Explosion erkennen konnten. Das Bild, durch die Windschutzscheibe geschossen, entstand wenige Sekunden, nachdem der hohe Feuerstrahl verschwunden war.

On the 23rd of august, that is two days ago, I hired a towing-service to pick up the car in Gori. Every 200 m, georgian military could be seen with light weaponry. The day before, russian troops had left Gori. In the outscirts the situation wasn't totally safe yet, as I was told. I had mixed feelings approaching Gori, which became worse, when we saw a big explosion somewhere in or near Gori, while we were still approaching the city with the breakdown lorry. I took this picture a few seconds after the fireball had disappeared.


An der Straße nach Gori fanden sich einige Truppentransporter und Panzer, die völlig zerstört waren. Wie wir auf dem Rückweg wieder ungefähr 30 km vor Tbilissi waren, kamen uns gepanzerte georgische Militärfahrzeuge entgegen: ein T72, ein Schützenpanzer sowie Artillerie.

On the road from Tbilisi to Gori, we saw quite a few troop transporters and tanks, that were badly smashed. When we drove back, about 30 km before Tbilisi appeared a T72, a shooting tank and artillery heading towards Gori.

Hier passierte es. Dort, wo jetzt zwei improvisierte Kugelfänge stehen, standen die beiden Polizeiautos quer auf der Straße. Dahinter die Gruppe von Zivilisten, aus deren Mitte wir beschossen wurden.

Here is the street where it happened. Between the two make-shift backstops stood the two police-cars blocking the road. Behind them the group of civilians; one of the the guys who shot at us wore black shorts.



Die Tankstelle auf der linken Seite, vom selben Standpunkt fotografiert. Das Auto kam schließlich an der rosafarbenen Wand zum Stehen, wo jetzt der Fiat Punto abgestellt ist. Die ganze Szenerie wirkt jetzt furchtbar banal. Als meine Frau realisierte, was geschah, dachte sie: Was für ein sinnloser Tod!

The petrol-station to the left, seen from the same standpoint. The car finally hit the pink wall (where the Fiat Punto stands). The whole scenery looks so banal now. Just like my wife thought when she realized what happened: What a silly way to die!



Es gibt jetzt sicher eine ganze Reihe von Leuten in Süd-Ossetien, die die Szene beobachtet haben oder einfach nur wissen, wer geschossen hat. Ich will wirklich keine Rache und fühle gar keine Wut in mir. Ich würde nur gern wissen, wer geschossen hat und warum. Das ist die eine, letzte Frage, die mich vermutlich nie loslassen wird. Und ich möchte das Gesicht sehen von dem Menschen, der auch unsere kleinen Kinder töten wollte. Ich hoffe, dass ihn wenigstens jemand auf diese Blogseite aufmerksam macht und er sich diejenigen anschaut, die seiner Mordlust entkommen sind.

There must be quite many people in South-Ossetia who watched the scene or know who shot. I honestly don't seek revenge or do I feel hatred at all. I would just like to know why this guy shot us. It is the final question, which will probably never let us loose until we get an answer. And I'd like to look into the face of this guy who wanted to kill our little children, too. At least I hope somebody will show him my blog, where he can see who escaped his lust to kill.


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2 comments:

Anonymous said...

Meine Tochter P. war mit Ihrer Tochter ein Jahr zusammen in der Spielgruppe (2006-2007) und ich möchte Ihnen sagen, wie erschüttert ich war, als ich aus der Zeitung davon erfuhr.
Ich wünsche Ihrer Familie ganz viel Kraft und Zeit, das Geschehene zu verarbeiten und vor allem Ihrer Frau rasche Genesung!
Das musste ich jetzt mal loswerden auf diesem Weg.
K.G.

S.H. Tappe said...

Danke für die guten Wünsche! Wenn Sie ganz praktisch etwas Gutes tun wollen, empfehle ich den Spendenaufruf für Mariam Amarowa, den Sie auf dieser Seite finden. Aber vielleicht haben Sie ja bereits daran gedacht.
Herzliche Grüße
S.H.Tappe