Wladimir Putins braune Lehrmeister (NZZ v. 22.4.14)



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Als Putin russisches Militär in die ukrainische Krim einmarschieren liess, machte er russische Interessen und das Schutzbedürfnis der dort lebenden russischen Bevölkerung geltend. Wäre die damit zusammenhängende Kampagne von Einschüchterung, Propagandalügen und direkten Eingriffen nicht schon ein klassisches Werkzeug sowjetischen Herrschaftsstrebens gewesen, müsste man annehmen, Putin habe seine Methoden mit Hitlers «Mein Kampf» verfeinert. Aber auch die damaligen Versuche westlicher Verharmloser, den Machthunger der Schergen des Dritten Reichs zu stillen, können ihm als Anschauungsunterricht dienen....
Wie Putin im Falle Abchasiens oder der Krim konnte sich Hitler auf eine willfährige Presse und seinen Propagandaapparat verlassen, und man riecht förmlich das Potenzial, welches Putin im Falle weiterer Gebiete wie Transnistriens oder gar der baltischen Staaten entfalten könnte. Die Lüge angeblicher Not russischer Bürger in fremden Ländern gemahnt penibel genau an Hitlers Sorge um die Sudetendeutschen oder deutsche Minderheiten in Polen, deren wahre oder angebliche Unterdrückung Ende der dreissiger Jahre durch die jeweiligen nationalen Behörden nur dazu diente, die eigenen Eroberungspläne zu kaschieren.
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Erstaunlich, ja erschütternd ist die Erkenntnis, wie viel Verständnis diesem hinterhältigen Bestreben, vor allem jetzt wieder im Falle der Krim, in weiten Teilen Westeuropas entgegengebracht wird. Gerade in Deutschland manifestiert sich bis in höchste Kreise eine Grundstimmung, die einen erschreckenden Mangel an Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis offenbart. Die verhängnisvollen Illusionen der Verharmloser und Apologeten von Raub- und Gewaltpolitik hat in Europa schon einmal einer Diktatur den Weg bereitet. Wladimir Putin hat diese Lektion zweifellos sehr gründlich gelernt und kunstvoll umgesetzt.
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Mit grösster Rücksichtslosigkeit spielte Hitler die Protagonisten jener Länder an die Wand, die er zu erobern trachtete. So schuf er fünfte Kolonnen, förderte nationalsozialistische Bewegungen und Parteien, rüstete Wehrverbände oder simple Schlägertrupps aus, fabrizierte Zwischenfälle und konstruierte «Hilferufe», die nicht überhört werden durften. Das ganze Instrumentarium einer gezielten Destabilisierung wurde zur Zermürbung demokratischer und rechtsstaatlicher Institutionen angewandt, bis der Zeitpunkt gekommen war, mit regulären Truppen einzumarschieren und die Zielgebiete einzuverleiben.

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